Integration braucht Zeit
Bayerns Sozialministerin Emilia Müller sagte: „Integration braucht Richtung.“ Ich sage: „Integration braucht Zeit.“ Ich vertrete immer meine Auffassung, dass Chinesen in Deutschland (融而不入 – rong er bu ru) aufgenommen, aber nicht integriert sind.
Integration bedeutet für mich, ich baue und pflege die Fähigkeit, der neuen Kultur das Beste abzugewinnen, ohne die eigene zu verlieren. Meiner Meinung nach soll Integration durch Leistung geschehen: Menschen, die rechtmäßig in Deutschland leben, sollen an dem, was sie in der Bildung, im Beruf und im Ehrenamt leisten, gemessen werden und nicht an ihrer Herkunft. Dies erfordert jedoch verstärkte Bemühungen der zu integrierenden Ausländer und ein klares Bekenntnis zu deutscher Rechts- und Werteordnung.
Nach meinem Befinden braucht eine Integration drei Generationen. Ich bin ein fränkischer Chinese; mein Sohn ein chinesischer Franke; meine Enkelkinder könnten fränkische Franken sein. Nämlich fließt in meinem Blut nicht nur Konfuzius, sondern auch Jesus Christus. In meinem Leben pflege ich die Fähigkeit, der deutschen Kultur das Beste abzugewinnen, ohne Konfuzius zu verlieren. Mein Sohn im Gegenteil, er pflege die Fähigkeit, dem Konfuzius das Beste abzugewinnen, ohne die deutsche zu verlieren. Um das zu erreichen, brauchen wir zuerst eine Fähigkeit, zu kennen und zu unterscheiden, was das Beste ist. Meines Erachtens schafft man als Migrant der ersten und zweiten Generation nicht diese Fähigkeit zu haben.
Nach dem Festgottesdienst der 62. Sankt Heinrichskirchweih sagte Heinz Kuntke, der Vorsitzende des Bürgervereins Bamberg-Ost: „Wir heißen You Xie, den fränkischen Chinesen sehr herzlich willkommen!“
Perfekt! Gut formuliert! In eine angemessene sprachliche Form gebracht!
Eine Bloggerin schrieb mir: „Verehrter Herr Xie, danke für den Artikel: Ich bin ein Bamberger. Mich beeindruckt Ihre ethische Grundlage, die Heimat zu verteidigen. Ich freue mich, dass Sie als Chinese Deutscher geworden sind. Sie beschämen uns – ohne Besserwisserei – mit Ihrer Überzeugung, was ein Bürger seiner Heimat schuldet. Und was ein Migrant tun sollte, sich hier zu integrieren. Das ist eine Botschaft, die jeder verstehen und als Auftrag wahrnehmen sollte. Danke für die Veröffentlichung dieses so gar nicht ,schreierischen‘ Artikels. Er kommt leise daher, seine Botschaft ist aber laut und deutlich. Viel Glück für Sie und Ihre Familie im schönen Bamberg.“
Zum Schluss schrieb sie: „Wer wagt es zu behaupten, dass wir Ausländer nicht mögen? Es gibt Gott sei Dank noch mehr solche Ausländer wie Herrn You Xie. Ich kenne auch einige.“
Deutschland ist gut für mich, das Leben hier ist beschaulicher als in China, hier komme ich zu mir und kann mich konzentrieren.
Manchmal bin ich mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert, mit Fehleinschätzungen und dem Gefühl, auf Grund meines fremdländischen Aussehens wie ein Idiot behandelt zu werden. Doch ich halte nichts von Verallgemeinerungen. Wenn man mir negativ begegnet, gehe ich davon aus, dass es mit meiner Persönlichkeit zu tun hat und nicht mit meiner Herkunft.
In der Süddeutschen Zeitung fand ich am 19. März 2014 einen Artikel: ,,Stadtrat mit chinesischen Wurzeln – Der Glückskeks“ von Katja Auer. Ich habe online eine Lesermeinung gelesen, die mich nachdenklich stimmte. Es war:
Don Loewi 19.3.2014 | 15:48 Uhr ,,Ich bin schon froh, dass ich als Ausländer in der CSU und im Stadtrat bin”, sagt er.
Soweit hat man es in Deutschland gebracht, dass sich Staatsbürger weiterhin als „Ausländer“ definieren. Kein Wunder, wo wir doch so perfekt im Kategorisieren und Erfinden von Ausgrenzungsterminologie wie „Migranten“, „Zugewanderte“ und „Migrationshintergrund“ sind. Und die „Rechtspopulisten“ betonen ja auch leiernd immer wieder, dass diese Leute ja „nur den deutschen Pass besitzen“ und „keine echten Deutschen“ seien. Wir grenzen alle neuen Bürger aus und indoktrinieren sie, um ja nie zu vergessen, dass sie in Wirklichkeit nicht zu uns gehören. Da helfen weder CSU-Mitgliedschaft noch Stadtratsposten.
Nachdem ich (You Xie) diese Kommentare gelesen habe, denke ich nach: Wer ist „Wir“? Wer ist Ausländer? Warum gehören sie in Wirklichkeit nicht zu den „normalen“ Deutschen? Wie könnten sie zu den Deutschen gehören? Kann ich Deutscher werden?
Seit 2010 habe ich einen deutschen Pass. Bei der Einbürgerungsfeier habe ich eine Rede gehalten mit der Überschrift: „Ich bin ein Bamberger“ – in Anlehnung an John F. Kennedys Satz „Ich bin ein Berliner“. Ich als fränkischer Chinese denke und träume chinesisch. Natürlich bin ich kein Bamberger. Ich versuche, einer zu werden. Die Bamberger zu kennen und zu verstehen, ist nicht so einfach, 30 Jahre sind dafür einfach zu wenig. Das braucht drei Generationen. Meine Enkelkinder würden – sofern in Bamberg geboren und aufgewachsen – als echte Bamberger durchgehen.
Es ist klar, ich bin kein alteingesessener Bamberger. Und wer ist ein alteingesessener oder ein altansässiger Bamberger? Laut meiner kulturellen Beobachtung ist jemand ein Bamberger, wenn er seit drei Generationen in Bamberg lebt, schon sein Großvater in Bamberg geboren wurde und seine Familie noch immer in Bamberg lebt.
Gerade weil ich selbst Germanist und Schriftsteller bin, ärgert es mich, dass ich noch immer nicht gut genug Deutsch spreche, um präzise auszudrücken, was ich empfinde, die bedeutungsschweren Feinheiten und Nuancen zu nutzen, die eine Sprache bietet. Mir fehlen das fließende Sprechen, der klare Ausdruck, so einfache Dinge, wie im Buchladen zu sitzen und stundenlang zu schmökern.
Ein integrierter Mann schafft das von meinem Standpunkt aus. Ich beherrsche das leider noch nicht.
Konfuzianismus ist keine Religion. Ich bin ein Konfuzianist, ich bin ein Christ, ich versuche ein Bamberger zu werden. Ich habe keine Fähigkeit, Nuancen zu nutzen. Mein Sohn ja. Seine Kinder werden es im Blut haben. Umgekehrt auch so: Meine Enkelkinder sprechen vielleicht kein Chinesisch mehr. Mein Sohn spricht Chinesisch, aber er kann nicht mehr schreiben. Deutsche Sitten und Bräuche im öffentlichen Raum zu beachten. Ich bewahre auch die Grundwerte vom Konfuzianismus weiter.
Und wie kann ich ein Bamberger werden oder als Bamberger anerkannt werden? Chinesisch: „rù ɡuó wèn jìn, rù xiānɡ suí sú“ (入国问禁, 入乡随俗。) Es gibt eine schlechte englische Übersetzung: „When in Rome do as the Romans do.“ Als chinesischer Germanist interpretiere ich den Satz so: Unbedingt die Gesetze und Vorschriften in deinem neuen Land einhalten; unbedingt die Sitten und Bräuche in deiner neuen Gemeinde beachten.
Die Bürger, die sich in ihrer Heimat wohlfühlen, identifizieren sich mit ihr. Es ist ihre Heimat – genauso wie ihre Nation, ihr Vaterland und ihre Sprache. Heimatliebe ist ein Ausdruck bürgerlichen Wohlbefindens und einer Nationalverbundenheit. Die Sehnsucht nach Heimat und die Liebe zur Heimat – beide sind so menschlich wie der Mensch selbst.
Ich habe mich meiner neuen Heimat Deutschland voll zugewandt. Das war auch leicht, denn hier sind Eigenschaften wie Disziplin, Offenheit und Aufrichtigkeit weit verbreitet.
Ich bin ein Mensch, der für seine Heimat etwas Gutes tun will. Deutschland und Bamberg habe ich viel zu verdanken. Ich bin mit leeren Händen hier hergekommen, und nun habe ich mir in Freiheit alles erarbeiten können. Deshalb engagiere ich mich auch, um meiner neuen Heimat etwas zurück zu geben. Ich bin in etwa 32 Vereinen Mitglied, auch beim Frankenbund. Es macht mich stolz, dass ich jetzt in unserer schönen Stadt mithelfe, Kultur und Traditionen zu bewahren. Seit 2010 habe ich die deutsche Staatsangehörigkeit, sehe ich mich als Pflicht jedes Jahr an der Gedenkstunde zum Volkstrauertag teilzunehmen. Die Stadt Bamberg gedenkt in einer Feierstunde am Volkstrauertag vor dem Ehrenmal im Friedhof an der Hallstadter Straße der Opfer der beiden Weltkriege, der Heimatvertreibung und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Wenn Integration in Deutschland gelingen soll, muss dann den Zuwanderern ein klares Integrationsangebot aufgezeigt werden. Nicht nur das Grundgesetz und deutsche Gesetze, sondern vielmehr auch deutsche Werte, Überzeugungen, Bräuche und Leitkultur. Da ist die Grundlage des Integrationsangebots. Dieses Angebot ist die Voraussetzung für Zuwanderer, ansonsten „gehören sie in Wirklichkeit nicht zu uns (Deutschen).“
Wenn mir das Aecht Schlenkerla Rauchbier genauso wie einem Bamberger schmeckt, kann ich dann sagen: Ich bin ein Bamberger!